legally organized

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Aktion im öffentlichen Raum vor dem Fluc, fotografisch dokumentiert
10.06.2015

Einer Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs aus den Jahr 2012 gemäß darf man im öffentlichen Raum auf seine Notlage aufmerksam machen und um Hilfe bitten. Dennoch sind die Bestrebungen groß, Armut aus öffentlichen urbanen Bereichen zu verdrängen. Öffentlicher Raum wird immer stärker von kapitalistisch orientierten Interessen dominiert. Unterstützt durch konservative Vorstellungen von Ordnung und Sicherheit wurden die Landessicherheitsgesetze Bettelei betreffend in den letzten Jahren verschärft. Was aber unter dem Tatbestand des organisierten, gewerbsmäßigen oder aggressiven Bettelns sowie dem Betteln in Gruppen genau verstanden wird, ist Auslegungssache. Generelle Bettelverbote durchzusetzen, wie dies vom Land Vorarlberg und der Stadt Salzburg versucht wurde, scheitern derzeit noch am Wiederstand des Verfassungsgerichtshofes. Allerdings finden sich in den meisten Landesgesetzen Passagen, die sektorale Bettelverbote, die auf ganze Stadtviertel ausgedehnt werden können, ermöglichen. Der große Spielraum für drakonische Maßnahmen sowohl von Seiten der Exekutive als auch der Judikative ist freilich fragwürdig. Es ist wichtig, dass öffentlicher Raum Spielfeld sozialer Diversität bleibt. Armut darf nicht aus dem alltäglichen Gesichtsfeld verbannt und so die Wahrnehmung sozioökonomischer Realität manipuliert werden.

„legally organized“ versucht auf ironische Weise den Gesetzestext zu hinterfragen, indem sämtlich Tatbestände unerlaubten Bettelns in ungewöhnlicher Weise aufgegriffen und erfüllt werden: Eine handvoll Bettler arbeiten „freiberuflich“ für die Dauer der Aktion unter Werkvertrag als bezahlte Dienstleister. Der Vertrag garantiert, dass die erbettelten Spenden im Besitz des Dienstleisters verbleiben. Armbinden fungieren als uniformierendes Attribut und zeichnen die Beteiligten als Mittglieder einer Gruppe aus. Die irritierende Aufschrift „Ordnung“ dient einerseits als Hinweis auf organisiertes Handeln, andererseits kann sie als legitime Forderung verstanden werden, den willkürliche Auslegung begünstigenden Gesetzestext zu konkretisieren. Durch die polizeiliche Anmeldung als Kunstaktion ist die „organisierte Gruppenbettelei“ legal. Die Aktion fand am Tag der Ausstellung vor dem Fluc im Bereich Praterstern statt. Die Aktivisten wurden direkt vor Ort angesprochen und unter Vertrag genommen. Zur Eröffnung der Ausstellung „art is not enough“ konnten abgepackte Dokumentationsfragmente, bestehend aus Konzept, Kopie eines ausgefüllten Werkvertrags, und einem Foto der Aktion, käuflich erworben werden. Der Erlös blieb zur Gänze im Besitz des sich in Notlage befindlichen Verkäufers.

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